Bürgermeister Götz Konrad

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Praktikum 2001: Ein Tag Bürgermeister in Driedorf

Festplatz geht es wie dem Haushalt: Könnte mehr Schotter vertragen

Aus der Zeitungsgruppe Lahn-Dill vom 08.07.2001

Von unserem Redaktionsmitglied Götz D. Konrad
Driedorf (Lahn-Dill-Kreis). Zunächst sind nur grobe Umrisse erkennbar, Linien, schraffierte Flächen. Jeder Mausklick gibt mehr Details preis. Häuser tauchen auf, Straßen, sogar Wasserleitungen und Kanalrohre treten aus dem unterirdischen Dunkel. Was ein bisschen so aussieht wie das Computer-Spiel „SimCity“, ist Wirklichkeit: Alle 4775 Hektar Fläche von Driedorf flimmern auf einem PC-Bildschirm, dank des Geografischen Informationssystems. Und das ist alles mein Arbeitsplatz – als Bürgermeister der Westerwald-Gemeinde für einen Tag.

So leicht ist Amtsinhaber Wolfgang Schuster (SPD) nicht zu ersetzen – schon gar nicht durch einen „Ferien-Jobber“ für einen Tag. Schließlich ist der Rathaus-Chef ein Wahlbeamter. Mich hat zwar keiner gewählt, aber Sekretärin Sonja Sahm grüßt freundlich. Im mit viel Holz verkleideten Büro kann man sich wohl fühlen. Das Klima stimmt und auch die Atmosphäre in der Verwaltung mit ihren 14 Mitarbeitern. Man spricht Platt. Schwer verständlich dagegen ist die Morgenlektüre. Denn neben der Lokalzeitung (Berichte über die Gemeindevertretersitzung waren fair) liegen auch schon Bundesgesetzblatt, Staatsanzeiger und der Eildienst des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (wichtiger Artikel über die Mindestausstattung von Kindergärten) auf dem Schreibtisch parat.

Aus einem dicken Pultordner quillt die komplette Eingangspost. Von Reklame bis Rechnung wandert alles zunächst einmal beim Bürgermeister vorbei, bevor die Schreiben in die Abteilungen gehen. Keine Zeit für langes Lesen, das Tageswerk beginnt.

9 Uhr: Personalratsvorsitzende Brade kommt vorbei. Die drei Waldarbeiter sollen einen Pkw bekommen, damit sie sich nicht ihre Privatautos in den 1400 Hektar Wald der Gemeinde unnötig versauen.

9.57 Uhr: Heribert Zell, Leiter der Westerwaldschule, hat sich angesagt. Die engen Kontakte mit dem französischen Ort Morée sind gefährdet: Schulleiterin und ein Deutschlehrer in Frankreich zeigen wenig Interesse, die 1991 begonnenen Schüleraustausche fortzusetzen. Wir denken darüber nach, wie wir gegenseitige Besuche in Form eines Jugendaustauschs starten können.

11 Uhr: Gisela Stahl, eine von vier Schwestern der Gemeindepflegestation, berichtet über die aktuelle Lage. Das Quartett kümmert sich derzeit um 28 Patienten und berät 50 Familien für die Pflege von Angehörigen. Vor dem nächsten Termin bleibt noch ein bisschen Zeit für Büroarbeit. Bei Baulandumlegung ist der Chef selbst Sachbearbeiter.

12 Uhr: Mit Otto Rauhofer, Bereichsleiter für Bauen, Liegenschaften und die Umwelt, geht es auf Tour. An mehr als einem Dutzend Stellen in Driedorf wird derzeit im Auftrag der Gemeinde gebaut – und bei einem Millionen-Projekt gibt es Probleme. Zusammen mit Ingenieur Rauhofer heißt es deshalb nun, nach dem Rechten zu schauen. Die Gemeinde als Bauherr muss schließlich die Groschen beisammen halten. Und ich habe dabei gelernt, was ein Klimaleichtbaublock ist.

12.43 Uhr: Wenn wir gerade schon mal am Heisterberger Weiher sind, wo zu Spitzenzeiten rund 2000 Gäste den Campingplatz der 5269-Seelen-Gemeinde bevölkern, machen wir Mittag in der Sommersonne. Schnell eine Pizza und wieder zurück ins Rathaus. Auf der Rückfahrt wird ein Problem der Gemeinde augenfällig: „Vill Gejend, wink Leu“ (viel Gegend, wenig Leute) meint Wolfgang Schuster angesichts der insgesamt neun Ortsteile, die mehr als verwaltet werden wollen.

Auf dem Schreibtisch wartet schon eine dicke Unterschriften-Mappe. Wieder muss Wolfgang Schuster einspringen, ich kann schließlich nicht die Kundschaft mit einer neuen Signatur überraschen.

13.27 Uhr: Etwas verwirrt schauen auch die „Kollegen“ in Eibelshausen. Dort im Rathaus haben sich Eschenburgs Bürgermeister Walter Jank und Vertreter weiterer Städte und Gemeinden aus dem ehemaligen Dillkreis versammelt. Es geht um die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft Fremdenverkehr, die ihre eigentlichen Aufgaben verloren hat. Wir sind uns einig, der AG ein neues Ziel zu setzen: Wir wollen mehr Werbung für die hessische Seite des Rothaarsteigs machen.

16.31 Uhr: Auf dem Rückweg nach Driedorf noch rasch eine Stippvisite in Hohenroth, wo ein Buswendeplatz und ein Anbau am Feuerwehrgerätehaus entstehen. Im Rathaus hat Gemeindekassen-Leiter Andreas Georg schon einen Stapel Mahnbescheide in der Hand. „25 Stück, das ist noch im grünen Bereich“, sagt Wolfgang Schuster und unterschreibt. Das ist richtig, weiß doch mittlerweile sogar ich, dass in Driedorf insgesamt 900 Camper an Heisterberger Weiher und Krombachtalsperre eine Stellplatz gepachtet haben.

Nach einer weiteren Runde Schreibtischarbeit kann der Bürgermeister nach Hause gehen – aber nur für ein Stündchen. Denn während die Verwaltung um 16 Uhr Dienstschluss hat, bereitet sich das Gemeindeoberhaupt auf zwei Abendveranstaltungen vor.

Bei neun Ortsteilen werden im Jahr rund 200 Termine abends und an Wochenenden nötig. Für den nächsten Tag liegen schon Urkunden für Goldene Hochzeiten bereit.

18.57 Uhr: Der Ortsbeirat in Heisterberg bekommt Besuch vom Bürgermeister. Im Dorfgemeinschaftshaus platzt die Farbe von Fensterrahmen, an der Friedhofsmauer wuchert Moos, Anwohner wollen Tempo-30-Zone, Jugendliche suchen einen Treffpunkt, und dem Festplatz geht es so wie der Gemeindekasse: Könnte mehr Schotter vertragen. Wird notiert.

20.12 Uhr: „Gipfeltreffen“ auf dem höchsten Punkt des alten Dillkreises: Der Wehrführer0ausschuss tagt in der Grillhütte in Hohenroth auf dem Höllberg. Ortsbrandmeister und Kommandanten der neun Wehren besprechen Alarmierungen, Anschaffungen, Ausbildung, Atemschutz-Übungsstrecke – und Aufgabenverteilung: Ortsbrandmeister Willi Denius scheidet im kommenden Jahr aus Altersgründen aus dem Amt, es muss ein Nachfolger gefunden werden. Weil Dienstherr der ehrenamtlichen Retter, mischt auch der Bürgermeister bei der Diskussion mit.

22.17 Uhr: Endlich daheim. Mir wird jetzt klar, was Wolfgang Schuster anfangs meinte: Der Bürgermeister ist nicht nur Behördenleiter, sondern auch so etwas wie Geschäftsführer einer „Firma mit 20 Millionen Mark Umsatz“. Das ist mehr als der „Grüß-August“, für den so mancher einen Bürgermeister halten mag. Am 2. September ist Wahl in Driedorf – aber ich habe dann doch keine Bewerbungsunterlagen abgegeben.

Was steckt dahinter?

Bürgermeister ist kein Lehrberuf. Und vors Regieren hat die Kommunalverfassung die Wahl gesetzt. Früher kürten die Parlamente ihre Rathaus-Chefs, in Hessen hat seit 1993 der Bürger das Wort bei der Direktwahl. Wurde einst besondere Qualifikationen in der Ausschreibung gefordert, etwa die zweite Verwaltungsprüfung, so steht das Bürgermeisteramt heute grundsätzlich jedem offen. Wählbar ist, wer Deutscher oder Bürger der Europäischen Union ist und am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet hat. Altersobergrenze ist 64 Jahre. „Vom Gesetzgeber werden weiter keine Bedingungen gestellt, aber die Parteien wollen ja wählbare Kandidaten präsentieren“, sagte Jürgen Meyer vom Hessischen Städte- und Gemeindebund. Wer nicht von einer Partei aus dem Kommunalparlament vorgeschlagen wird, kann sich auch auf eigene Faust bewerben. Dann braucht man Unterschriften von Bürgern, die die Kandidatur gutheißen. Gefordert werden doppelt so viele Unterzeichner wie das jeweilige Parlament Sitze hat. Sechs Jahre dauert eine Amtszeit der Bürgermeister, die als kommunale Wahlbeamte nach Größe der Stadt oder Gemeinde bezahlt wird. Die Besoldungsgruppen reichen von A14 (rund 7000 Mark monatliches Grundgehalt) bis B8, das sind rund 18000 Mark die Frankfurts Oberbürgermeisterin bekommt. Der Arbeitsmarkt für Bürgermeister ist stabil: Hessen hat 426 Städte und Gemeinden, kreisfreie und Sonderstatus-Städte leisten sich sogar Oberbürgermeister.

Informationen: Hessischer Städte- und Gemeindebund, Henri-Dunant-Straße 13, 63165 Mühlheim am Main, Telefon (06108) 60010. Internet: www.hsgb.de. Mehr über Driedorf im Internet unter www.driedorf.de